Gravierende Methodenfehler

Immer wieder tauchen sie auf: Ranglisten zu den Überschüssen und Reserven der Lebensversicherer mit der Absicht, dem Verbraucher Orientierung zu geben.

Ganz aktuell auch wieder in der Wirtschaftswoche. Und immer wieder entsteht großes Staunen darüber, mit welchen methodischen Fehlern bzw. Ungenauigkeiten solche Ranglisten erstellt und dann von renommierten Wirtschaftsblättern ebenso falsch kommentiert abgedruckt werden.

So werden – auch in der Wiwo – ganz entscheidende Aspekte meist nicht beachtet:

  • Lebensversicherer mit einem hohen Anteil fondsgebundenem Geschäft müssen bei bestimmten Kennzahlen im Grunde schlechter abschneiden als solche mit wenig oder keinem FLV-Geschäft. Trotzdem kann die Rendite für den Kunden am Ende bei einer FLV viel höher sein. Der Grund: Bezogen auf die Prämieneinnahmen oder auf die Bestände produzieren „FLV-Versicherer“ nur geringe Zinsgewinne, da der Anteil konventioneller Kapitalanlagen, aus denen solche Zinsen generiert werden, niedrig ist. Denn die Rendite der Anlagen entsteht im Anlageportfolio und im Rechnungskreis der Fondsgesellschaft und wird dem Kunden direkt gutgeschrieben, also ohne „Umweg“ über die Überschussrechnung des Lebensversicherers.
  • Lebensversicherer mit hohem Anteil an Risikolebensversicherungen erzielen meist höhere, direkt gutgeschriebene Überschüsse, da mit Blick auf die aktuell niedrigen Kapitalmarktzinsen die Risiko- und Kostengewinne aus dem Risikogeschäft meist über denen aus den Kapitalanlagen liegen und gleichzeitig der Kapitalanlagebestand vergleichsweise niedrig ist. Es macht so wenig Sinn, die Überschußsituation einer Risiko-LV mit der einer kapitalbildenden LV zu vergleichen.
  • Lebensversicherer mit einem hohen Anteil älterer Bestände mit entsprechend höherem Garantiezins erwirtschaften meist weniger Zinsgewinn, da die zu bildende Zinszusatzreserve (Garantieabsicherung) den Rohüberschuss mindert, was naturgemäß die Versicherer mit großen Altbeständen mehr trifft als junge Versicherer. Für den Kunden mit dem gerade in der aktuellen Zeit unschlagbaren Vorteil, vom höheren Garantiezins zu profitieren.
  • Und was für die Überschüsse gilt, gilt auch für die Bewertungsreserven. Denn diese sind zu einem Großteil entstanden aus (nicht ausgewiesenen bzw. zugeteilten) Überschüssen der Vergangenheit. Bedeutet: Lebensversicherer mit geringem FLV-Anteil, hohem Anteil Risiko-LV und vergleichsweise jungen Beständen haben bei den Kennzahlen zu den Überschüssen und Reserven rechenmethodische Vorteile. Was keine Aussagen dazu zulässt, ob deren Verträge für den Kunden am Ende vorteilhafter sind.

Zugegeben – alles ausgesprochen anspruchsvolle Sachverhalte und Zusammenhänge, die aber eines zeigen: Wer sich nicht die Mühe macht, tief in eine so komplexe Materie wie das Lebensversicherungsgeschäft und dessen bilanzielle Behandlung einzusteigen, vergleicht mit undifferenziert entwickelten Kennzahlen und daraus erstellten Ranglisten Äpfel mit Birnen oder Autos mit Motorrädern.

Das Problem dabei: Kein unbedarfter Verbraucher hat die Chance, solche Methoden-Ungenauigkeiten zu erkennen. Umso größer die Verantwortung der Journalisten und Redakteure. Und umso mehr Arbeit für qualifizierte Berater, die mühsam das richtig stellen müssen, was falsch verbreitet wurde.