2-Klassen-Medizin

Allzu schnell wird dieser Tage aus der Politik eine „Einheits-Bürgerversicherung“ mit Abschaffung der privaten Krankenvollversicherung gefordert.

Das Argument: In Deutschland gäbe es eine 2-Klassen-Medizin, die die gesetzlich Versicherten benachteiligt. Es stimmt: In vielen Praxen und bei bestimmten Operationen müssen gesetzlich Versicherte länger auf einen Termin warten. Das gilt oft auch für das Wartezimmer. Und der Umfang der Zuzahlungen ist für gesetzlich Versicherte in vielen Bereichen höher.

Wie aber sieht die andere Seite der Medaille aus?

Viele Arztpraxen wären heute ohne privat Versicherte wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Das gewährleistet auch für gesetzlich Versicherte medizinische Versorgung. Und aufgrund der höheren Leistungen der privaten Krankenversicherung sind Arztpraxen und Krankenhäuser oftmals eher in der Lage, in moderne Medizintechnologie zu investieren. Von dieser profitieren auch gesetzlich Versicherte.

All dies ist nur möglich, weil der monatliche Beitrag pro Person in der PKV deutlich über dem in der GKV liegt. Denn in letzterer gibt es – im Gegensatz zur PKV – die beitragsfreie Familienmitversicherung für Kinder und nicht berufstätige Ehepartner sowie die Deckelung der Höchstbeiträge durch die Beitragsbemessungsgrenze.

Allein  diese Argumente zeigen: Das heutige System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung ist kein Gegeneinander, sondern eine überaus sinnvolle Symbiose, von der am Ende alle profitieren. Im Übrigen mit einer erheblichen sozialen Komponente durch Umverteilung von den privat Versicherten mit meist höheren Einkommen hin zu den gesetzlich Versicherten. Das zeigt sich eindrucksvoll darin, dass aus den Beiträgen der privat Versicherten im Schnitt pro Jahr 1.320 € ins Gesundheitssystem fließen, von jedem GKV-Versicherten hingegen „nur“ 560 €.

Würden die Politiker dem Begriff Bürgerversicherung folgend die Bürger vor die Wahl stellen, zugunsten einheitlicher Wartezeiten und Zuzahlungen auf ein „Mehr“ an Verfügbarkeit medizinischer Leistungen und ein „Mehr“ an Qualität in der Behandlung zu verzichten, wäre die Antwort ganz sicher ein „Nein“. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob eine Bürgerversicherung diese Bezeichnung überhaupt tragen sollte.

Und ganz unabhängig davon: Selbst mit einer Bürgerversicherung wird es weiter Privatpatienten geben. Nämlich die, die sich über Zusatztarife absichern oder den Arzt gleich aus dem eigenen Geldbeutel direkt bezahlen. Vielen ist ihre Gesundheit das wert.