Ernüchterung

Wohl kaum ein Begriff dürfte derzeit branchenübergreifend so viel genutzt werden wie der der Digitalisierung.

Gelegentlich entsteht der Eindruck, die Welt erfände sich neu. Da lohnt sich in jedem Falle ein gelegentlicher Blick auf rein digital aufgestellte Unternehmen, die bereits seit einigen Jahren am Markt sind.

So z.B. das amerikanische Insurtech Lemonade, ein rein digitaler Sachversicherer. Immerhin gelang es, bislang schon rund 200.000 Policen zu verkaufen – auch mit dem Versprechen, bei Schadenfreiheit einen Teil der Prämie für einen guten Zweck zu spenden.

Die Rechnung geht aber nicht auf. Denn die Schadenquote lag im Jahr 2017 bei 137 %, unter anderem auch, weil die rein digitale Schadenregulierung nicht funktioniert. Die Konsequenz: Lemonade hat das Neugeschäft gedrosselt, da bei einer derart hohen Schadenquote letztendlich jeder neue Vertrag den Verlust noch weiter erhöht. Und die digitale Schadenregulierung wird zukünftig ergänzt durch neu angestellte Versicherungsexperten.

All dies zeigt: Gerade bei Finanzprodukten sind rein digitale Geschäftsmodelle ausgesprochen problematisch, und Lemonade ist nicht das erste Unternehmen, das deshalb zunehmend im Kundenkontakt wieder Menschen einsetzt. Wenn man so will, eine Gegenbewegung zur Digitalisierung. Und vielleicht ist es vor diesem Hintergrund die bessere Digitalisierungsstrategie, am Kontakt „von Mensch zu Mensch“ festzuhalten und stattdessen die Mitarbeiter mit effizienten und modernen digitalen Instrumenten auszustatten.